Hintergründe / Allgemeinwissen

Meerschweinchen zeichnen sich durch eine hohe Fruchtbarkeit aus.

Das bedeutet alle 14 Tage steigt bei den Mädels der Hormonspiegel und sie sind bis zu 3 Tage verzweifelt auf der Suche nach einem Männchen, dass sie deckt. 

Das führt bei vielen Mädels dazu, dass sie bromselnd durchs Gehege laufen und versuchen andere Mädchen oder auch Kastraten zu besteigen. Wenn man einen guten Kastraten hat, nimmt er sich ihrer schnell an und gibt ihr was sie braucht, dadurch sinkt ihr Hormonpegel relativ schnell wieder ab.

Diese Brünftigkeit bedeutet immer Stress und Unruhe für die ganze Gruppe. Und auch das brünftige Weibchen selbst, hat großen Stress.

Daher ist es sehr wichtig Weibchen immer zusammen mit einem guten Kastraten zusammen zu halten. Tatsächlich ist es auch kein Problem noch einen weiteren Frühkastraten dazu zu nehmen.

Eierstockzysten

Bei erwachsenen Weibchen tendieren die Eierstöcke mit zunehmendem Alter zu entarten. Es entstehen Eierstockzysten. Diese sind tatsächlich extrem häufig, müssen aber kein Problem sein. Erst wenn sie auch noch hormonell aktiv werden, wird es ein großes Problem. Die Auswirkungen reichen von einer leichten Verhaltensänderung bis hin zum völligen Kreislaufzusammenbruch. 

Wenn du bei deinem Weibchen feststellst, dass sie plötzlich ständig bromselt und immer aggressiver wird, dann liegt die Vermutung nah, dass sich eine hormonell aktive Eierstockzyste (haEZ) entwickelt hat. Weitere Anzeichen sind Ausfallen der Haare und Gewichtsverlust. Ohne Behandlung wird das Weibchen immer zittriger und fahriger und sie wird an der haEZ sterben. Das dauert Monate und ist qualvoll.

 

Tierärzte bieten verschiedene Therapien für dieses häufige Problem an

1. Ausdrücken der Zysten: bitte auf keinen Fall machen lassen! Die Zysten kommen wieder und das Weibchen kann eine Bauchfellentzündung entwickeln durch die freie Flüssigkeit. Davon abgesehen ist es extrem schmerzhaft.

2. Hormonspritzen: hier muss man alle paar Wochen wieder zum Tierarzt um dem Weibchen Hormonspritzen geben zu lassen, die das Wachstum der Zysten hemmen. Das ist die häufigste Therapie und verlängert das Leben des Weibchen bis zu 1 Jahr (in seltenen Ausnahmen 2 Jahre)

Hier gibt es 2 Probleme: einmal hat man den ständigen Stress (und auch die Kosten) der Tierarztbesuche und es ist nur ein hinausschieben der Problematik, aber keine Lösung des Problems.

3. Homöopathie: das ist derartig sinnlos, dass mir dazu nur ein einziges Wort einfällt: Geldschneiderei!

Warum ist es sinnvoll Weibchen zu kastrieren?

Wenn man doch die brünftigen Weibchen von einem guten Kastraten beglücken lässt, wozu dann noch die Mädchen kastrieren? Es gibt mehrere gute Gründe, warum es wichtig ist, dass auch die Kastration von Weibchen zu einer "normalen" Option werden sollten.

 

1. Grund die Gesundheit: 

Wenn die Ovarien entfernt sind, können keine Zysten entstehen. Sind schon haEZ da, können alle gesundheitsschädlichen Auswirkungen rückgängig gemacht werden. Das Weibchen hat wieder seine normale Lebenserwartung.

2. Verhalten:

Ein kastriertes Mädchen wird nicht mehr brünftig, das bedeutet es kann den ganzen Monat relaxen und sich mit Dingen beschäftigen, die ihr Spaß machen und ist nicht von Hormonen getrieben. 

Ich habe beobachtet dass Mädels die vorher große Probleme in der Vergesellschaftung hatten, plötzlich lammfromm wurden.

Die Kastratinnen sind entspannt und relaxt.

3. Vergesellschaftung:

Eine Kastratin kann zu jedem anderen Meeri vergesellschaftet werden. Sie kann einen alten verweisten Junggesellen noch einen schönen Lebensabend bereiten, oder auch einem Böckchen, dass zu krank ist für eine Narkose. 

Auf diesen Punkt werde ich weiter unten noch genauer eingehen.

4. die Operation:

Die Methode beschreibe ich in einer Unterseite.

Es sind nur winzig kleine Schnitte, die auch in einer Position liegen, wo kein Dreck in die Wunde kommt. Die OP wird extrem gut vertragen und es gibt keine Abszesse.

5. die Frist:

Böckchen müssen nach ihrer Kastration eine Frist von 6 Wochen absitzen, bis sie endlich zu ihren Mädels dürfen. Diese Zeit ist für ein Meeri manchmal sehr qualvoll, wenn es diese Zeit allein verbringen muss. Ein kastriertes Mädchen kann quasie einen Tag nach der OP wieder zurück in ihre gewohnte Gruppe. Solltest du einen älteren Herrn einen glücklichen Lebensabend bescheren wollen, der noch nie die Gesellschaft von Mädchen hatte, ist es sinnvoll ca 1 Woche zu warten. Denn er wird in seinem Glück versuchen ihr aufzureiten und dabei könnte er ihr versehentlich die Fäden ziehen. Nach ungefähr einer Woche ist es schon soweit verheilt, dass sich die Fäden beginnen aufzulösen und keine Gefahr besteht, dass er ihr versehentlich die Schnitte öffnet.

medizinische Indikation

Laut Amputationsverbot § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG (https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/__6.html) ist es generell verboten Tieren Organe und Gewebe zu entfernen außer (Zitat) "zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder - soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen - zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird."

Es gibt in diesem Gesetz einige Ausnahmen, aber es wird nicht unterschieden zwischen Männlichen und Weiblichen Tieren. Das bedeutet, dass auch bei der Kastration der Weibchen kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliegt. 

Dazu kommt noch der Aspekt der medizinischen Indikation.

Für das Entfernen von Hoden beim Meerschweinchen gibt es rein sachlich nur äußerst selten rein medizinische Gründe wie z.B. eine Entartung des Gewebes (Tumorbildung). Es werden also fast immer gesunde Organe aus einem gesunden Tier entfernt, die auch nur eine geringe Wahrscheinlichkeit haben zu entarten. Trotzdem ist es für eine artgerechte Meerschweinchen-Haltung zwingend notwendig Kastraten zu haben. 

Deswegen ist es auch richtig und wichtig, dass unsere Jungs kastriert werden von guten Tierärzten, die wissen was sie tun.

Leider werde ich immer wieder mit dem Argument konfrontiert, dass es gegen das Tierschutzgesetz ist, wenn ich gesunde Weibchen kastrieren lasse. Und das ist laut Gesetzestext tatsächlich falsch! Denn im Gegensatz zu den Jungs gibt es bei den Weibchen (und zwar bei jedem Weibchen!) eine medizinische Indikation und zwar die haEZ 

Es sterben leider jeden Tag unsere Weibchen an haEZ . Die Wahrscheinlichkeit das Eierstöcke Zysten ausbilden, steigt mit jedem Lebensjahr des Weibchens an. Glücklich sind die Mädchen bei denen die Zysten nicht hormonell aktiv sind! 

Mein Tierarzt und ich kastrieren jetzt seit Anfang 2019 Weibchen mit der minimalinvasiven Methode. Keines meiner Mädels, die ich vertrauensvoll zu ihm gebracht habe, ist gestorben. ABER rund 80% der entnommenen Eierstöcke hatten Zysten. Selbst Weibchen die augenscheinlich völlig normal und gesund waren, hatten welche. 

 

Die Kastration von Weibchen ist also laut Tierschutzgesetz in zweifacher Hinsicht erlaubt. 1x wegen der artgerechten Haltung (wie bei den Böckchen) und zusätzlich noch wegen der Verhinderung einer schlimmen Krankheit die unweigerlich zum Tod des Mädchens führt, wenn nicht operiert wird.

Und es gab auch den anderen Fall: ein Mädchen dass immer sehr gut mit ihrem Kastraten zurecht kam und wirklich zufrieden und glücklich war, begann ohne Anlass immer aggressiver zu werden. Sie hat ihren armen Kerl Zähne klappernd und beißend durchs Gehege gejagt, bis der arme Kerl nur noch verängstigt in der Ecke saß und laut fiepte, sowie sie in seine Nähe kam. Sie wurde medizinisch durchgecheckt und für gesund befunden, also hat sich die verzweifelte Besitzerin an mich gewandt und wir haben die Süße kastrieren lassen. Zum Erstaunen aller haben wir tatsächlich keine Zyste an den Ovarien gefunden. Manchmal sind diese Zysten so klein, dass man sie auf bildgebenden Verfahren noch nicht entdecken kann. Nach der Kastration war das Weibchen aber wieder ganz die Alte. Sie liebte wieder ihren Kastraten und leckte im das Öhrchen und war insgesamt sehr gechillt und entspannt. Also war es doch, wie vermutet eine Überproduktion von Hormonen.

Wie verhält sich ein kastriertes Mädchen?

Meine Kastratinnen verhalten sich völlig normal. Sie sind immer noch genauso Teil der Gruppe wie vorher. Ein Mädchen dass vorher Gruppenchefin war, wird es wahrscheinlich auch danach noch sein. 

 

Sie sind einfach nur sehr entspannt in ihrem Dasein und lassen sich nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen. Dadurch sind sie in der Lage andere Meeris zu beruhigen und ihnen den Stress zu nehmen.

 

Ich als Züchterin habe immer mal wieder Zuchtkerle, die ein bisschen aus der Reihe tanzen. Er kommt grade aus einer Verpaarung und hält sich selbst für den Größten und dann nur noch Jungs um ihn in seiner Zuchtpause. Es gibt Böckchen, die dann sehr aggressiv gegenüber anderen Jungs reagieren (auch bei Frühkastraten). Zu solchen Jungs setze ich eine Kastratin. Innerhalb einer Stunde sitzt er relaxt neben ihr und seine Aggressionen sind verschwunden. Nach wenigen Tagen kann ich ihn wieder in die große Böckchengruppe setzten und alles ist gut.

Kastratinnen in eine Böckchengruppe!??

Wie eben beschrieben, habe ich das ein paar Mal gemacht (immer erfolgreich) und kam dann auf die Idee doch mal auszuprobieren, wie sich die Jungs verhalten, wenn ich in ihre Gruppe eine Kastratin setze. Und es ist etwas ganz erstaunliches passiert! Die Jungs beruhigen sich und werden verträglicher. Es gibt deutlich weniger Streitereien oder Rumzicken. Wie man auf meinen Videos sehen kann (siehe Haltung) leben meine Jungs sehr harmonisch mit einander. Ich sage immer: Sie reißen sich zusammen in Frauengesellschaft, denn sie möchten immer nah bei dem Mädchen sein. Das Mädel wird auch nicht ständig drangsaliert oder gejagt, im Gegenteil. Das Mädchen wird hofiert und ihr das Futter noch hinterher getragen. Beim Futtern wird sie nie weggeschubst, sondern ist immer und überall in der ersten Reihe. Und dann kommt noch ein sehr wichtiger Aspekt dazu: meine Jungs werden von Klein an auch von Mädchen erzogen. Das bedeutet in den meisten Fällen, dass sie auch später in ihrem neuen Zuhause deutlich entspannter mit anderen Kastraten umgehen. Meine Jungs sind dadurch eigentlich fast immer auch als Zweitkastraten einsetzbar.

OP Methode

Nun zur OP-Methode. Es handelt sich um eine minimalinvasive Ovarektomie, das heißt mein Tierarzt setzt ca.1cm große Schnitte rechts und links in die Flanken. Es werden Die Ovarien (Eierstöcke) abgebunden und entfernt. Er setzt eine innere Naht, um die Bauchdecke zu schließen und eine weitere, um die Haut zu verschließen. Die Gebärmutter verbleibt im Körper des Weibchens. Darüber wird mit Aluspray abgedeckt und das wars auch schon. Die OP selbst ist sehr sauber und es haben sich noch nie Abszesse gebildet. Es verbleibt das normale Narkoserisiko.